Die Entstehungsgeschichte

Wie alles begann ...

„Es war 1979, als ich Annemarie und Fritz Pronegg im Kinder- und Jugendheim Steyr-Gleink anlässlich einer Tagung, die dort stattfand, kennen lernte. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in einem Pausengespräch die damals praktizierten pädagogischen Maßnahmen in „Erziehungsanstalten für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche“ ablehnten und für uns die Wichtigkeit der Beziehung in der Erziehung im Vordergrund stand. Der Kontakt zwischen uns war sofort gekennzeichnet durch tiefes Verstehen und große Sympathie.

Ich war damals schon einige Jahre an der Universitätsklinik für „Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters“ (so hieß die Klinik damals), als Psychologin und Psychotherapeutin tätig und beschäftigte mich schon damals mit traumatisierten Kindern. Zu diesem Thema kam ich durch den damaligen Klinikvorstand Univ.-Prof. Dr. Walter Spiel, der 1974 das „Psychogene Schocksyndrom im Kindes- und Jugendalter“ anhand einiger schwer traumatisierter Kinder beschrieb.
 Annemarie und Fritz Pronegg hatten die Idee, gepaart mit viel Mut und Engagement, eine Wohngemeinschaft zu gründen, die Kindern, die viel Leidvolles erlebt hatten und deshalb fremd untergebracht werden mussten, eine neue Lebenswelt zu schaffen, die darauf baute, den Kindern wieder Vertrauen und Zuversicht zu vermitteln. So fanden bald intensivere Gespräche statt, auch mit Univ.-Prof. Dr. Walter Spiel, und die Vision wurde umgesetzt – und ich durfte von Anfang an mit dabei sein!
Ich durfte viele Kinder und Jugendliche der Wohngemeinschaft und auch Annemarie und Fritz begleiten und, so gut ich konnte, unterstützen. Oft saßen Annemarie oder Fritz und ein Kind bei mir und wir dachten gemeinsam nach, wie wir das Verhalten verstehen und darauf reagieren können. Nicht selten war Fritz Pronegg damals nachts unterwegs, ein Kind zu suchen und es aus manchmal sehr schwierigen Situationen herauszuholen.

Die hohe Einsatzbereitschaft und das individuelle Betreuen der Kinder waren ganz hervorragend. Jede Woche kam ein Kleinbus mit Kindern und Jugendlichen nach Wien zur Therapie, manchmal, in Krisensituationen auch in der Nacht. Die Zusammenarbeit zwischen Wohngemeinschaft und Klinik war hervorragend,

die „Wohngemeinschaft Kotezicken“ war für uns von der Klinik der Inbegriff dessen, wie schwer traumatisierte Kinder optimal versorgt und verstanden werden können, wie sehr es gelang, psychodynamisches, therapeutisches Verstehen mit pädagogischem Handeln zu verknüpfen.

Ich weiß noch sehr genau, wie oft wir Kinder und Jugendliche in die Wohngemeinschaft Pronegg übergeben wollten - verständlicherweise oft kein Platz war - und wir uns immer gewünscht hätten, es gäbe viele solcherart geführte Wohngemeinschaften. 
In inniger Dankbarkeit für fast vier Jahrzehnte Zusammenarbeit und tiefer Verbundenheit.”

 

DR. GERTUDE BOGYI

Klinische- und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin

 

 

FRITZ PRONEGG - DR. GERTUDE BOGYI - ANNEMARIE PRONEGG

 

„Visionen, Reflexionsfähigkeit, Lernbereitschaft, interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein unerschütterlicher Glaube - Meine Eckpfeiler für fast vier Jahrzehnte Kontinuität und tragfähige Beziehungsangebote in der Wohngemeinschaft Pronegg.

In den Jahrzehnten meiner Leitung der sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft wurden über 90 Kinder und Jugendliche aufgenommen und auf einem Stück ihres Lebensweges, oft auch viele Jahre begleitet.
Gemeinsam mit meinem Mann habe ich einen Traum in ein Konzept umgesetzt und die Wohngemeinschaft geboren, verschiedene neue Entwicklungsphasen eingeleitet und immer wieder nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen adaptiert. Es war uns von Anfang an klar, dass wir als kleine, private Einrichtung nur überleben können, wenn wir durch die Qualität der Arbeit überzeugen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit war von Beginn an durch die Universitätsklinik für „Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters” sichergestellt. Mein großer Dank gilt Dr. Gertrude Bogyi und Univ.-Prof. Dr. Walter Spiel. Sie waren für uns die Geburtshelfer der ersten Stunde und haben uns mit allen Ressourcen der Klinik tatkräftig unterstützt. So gehörte Psychotherapie für die Kinder, Supervision für Leitung und Team, von Anfang an zu unseren Qualitätskriterien. Viele Arbeitskreise, Fortbildungen und Diskussionen habe ich geleitet, um für das notwendige Einfühlungsvermögen fremduntergebrachter Kinder in der Öffentlichkeit zu werben, komplexe Traumatisierungen zu verstehen und entsprechende Qualität bei Unterbringungen zu berücksichtigen.

Dieses Haus, ein Lebenswerk, wird für mich immer ein Ort der Hoffnung und Freude bleiben, wo Kinder, trotz schwerer Traumatisierungen, eine neue Lebensperspektive durch ein kontinuierliches Beziehungsangebot, entwickeln können. Wie Kinder, die ihrem Elternhaus entwachsen und selbstbestimmte Wege gehen, so machen es die Wohngemeinschaftskinder. Ich freue mich über geglückte Lebenswege und bedauere, wenn die Entwicklung, aus meiner Sicht, schwierig ist.

Meinen Traum würde ich sofort, trotz aller Grenzerfahrungen, wieder umsetzen. Wenn es nicht zu verhindern ist, dass Kinder in ihrer Kindheit Traumatisierungen erfahren, dann haben sie das Recht auf bestmöglihce Betreuung und Begleitung. Das Fachwissen und gute sozialpädagogische Ansätze und Methoden sind wichtig, aber sie nützen wenig, wenn die Beziehungsebene nicht stimmt. Es gibt viele Kinder, die trotz massiver Traumatisierungen, die Chance auf eine gute Zukunft benötigen. Es ist nicht allein die Resilienz, die Psychotherapie, die psychiatrische Begleitung, sondern vor allem das tagtägliche Bemühen von Sozialpädagog/inn/en, diesen Kindern Hoffnung und Zukunft zu geben. In einem guten Miteinander aller Disziplinen,  haben die Kinder die besten Chancen auf Zukunft. Die Erfolge können sich sehen lassen und sprechen für die Qualität der sozialpädagogischen, sozialtherapeutischen Arbeit in dieser Wohngemeinschaft.

Ich danke allen Mitarbeiter/inne/n und Systempartnern für das Vertrauen und die Zusammenarbeit!
Von den Kindern konnte ich sehr viel lernen und deshalb gilt mein besonderer Dank ihnen. Sie haben mir Vertrauen entgegengebracht und meine Reflexionsfähigkeit gefördert. Ich behaupte nach Jahrzehnten der Leitungsverantwortung: Was wirklich heilt, ist die Beziehung und diese muss sich jede/r Mitarbeiter/in mühelvoll persönlich erarbeiten.
Dem neuen Leiterehepaar wünsche ich viel Freude und Neugierde, um sich an den Fortschritten der Kinder zu stärken, die notwendige Energie für den Alltag und Durchhaltevermögen zu haben. Mögen immer die nötigen finanziellen Ressourcen für dieses Konzept zur Verfügung gestellt werden!”

 

ANNEMARIE PRONEGG

Gründerin Sozialtherapeutische Wohngemeinschaft Pronegg

 

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